Klare Forderungen an die Politik hat am 18. August die Ärzte- und Psychotherapeutenschaft verabschiedet. Auf einer Krisensitzung in Berlin stellten über 800 Niedergelassene, darunter die Delegierten der Vertreterversammlungen der KBV und der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen, klar, dass es so nicht weitergehen kann. Die Politik und insbesondere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sind nun aufgefordert, den Forderungen nachzukommen – ansonsten droht der Praxenkollaps.
Eine der in Berlin beschlossenen sieben Forderungen an die Gesundheitspolitik ist das Ende der Budgetierung. Diese für das Gesundheitswesen verhängnisvolle Kostendeckelung nahm 1992 in Lahnstein bei Koblenz ihren Anfang. Damals wurden mit dem Gesundheitsstrukturgesetz die Bedarfsplanung und Zulassungsbeschränkungen für die Vertragsärzteschaft eingeführt, um die Anzahl der arbeitenden Ärztinnen und Ärzte zu reglementieren. Im Gegenzug sollten die Ausgaben auf das letzte Jahr gedeckelt werden.
"Heute haben wir jedoch völlig andere Rahmenbedingungen. Die Praxen sind am Limit und dennoch hält die Politik weiterhin an der Bedarfsplanung fest", äußerte der KV RLP-Vorstandsvorsitzende Dr. Peter Heinz in einem Kurzvortrag vor den Anwesenden sein Unverständnis. "Der EBM soll eigentlich die Grundlage unserer wirtschaftlichen Existenz sein. Doch zugleich unterliegen wir immer noch dem Zwangsrabatt der Budgetierung. Angesichts dieser wirtschaftlichen Basis dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Praxen wegbrechen", machte Dr. Heinz deutlich. "Daher muss dieser Zwangsrabatt weg, damit wir wieder sicher unserer freiberuflichen Tätigkeit nachgehen können." Er lud seine Kolleginnen und Kollegen deshalb für den 13. September zur Protestaktion der KV RLP nach Lahnstein ein. Unter dem Motto "LAHNSTEIN92 – Schluss mit Budgetierung und Bedarfsplanung!" soll 31 Jahre nach dem historischen Beschluss von Union und SPD am gleichen Ort ein Zeichen gesetzt werden, dass die Budgetierung und Bedarfsplanung nicht mehr zeitgemäß sind.
Deutliche Kritik an der Untätigkeit der Politik
Neben Dr. Peter Heinz machten auch die Vorstandsvertreterinnen und -vertreter der anderen 16 KVen ihren Unmut über die aktuelle Gesundheitspolitik Luft. Während die ambulanten Versorgungsstrukturen vom Aussterben bedroht seien, sehe die Politik tatenlos zu, kritisierte beispielsweise der Vorstandsvorsitzende der KV Hamburg, John Afful. Das bisher vorgelegte Angebot des GKV-Spitzenverbands zur Steigerung des Orientierungswertes von 2 Prozent sei "einfach nur frech". Vorstände der anderen KVen brachten unter anderem auch das Thema Regressbedrohung, die technischen Pannen bei der Digitalisierung oder den drohenden massiven Fachkräftemangel zur Sprache.
"Es ist fünf vor zwölf – die Praxen in Deutschland arbeiten längst über dem Limit. Deshalb fordern wir die Politik auf: Halten Sie Ihre Versprechen und handeln Sie endlich! Verhindern Sie das Aus der ambulanten Versorgung", machte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen deutlich. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen seien immer weniger Menschen bereit, in einer Praxis zu arbeiten. "Wenn sich nicht bald etwas ändert, geht in den Praxen das Licht aus", prophezeite der KBV-Chef. Entsprechend habe man sich nun direkt an die Politik gewandt.
Lauterbach soll bis 13. September Stellung beziehen
Die KBV-Vertreterversammlung hat den Forderungskatalog einstimmig verabschiedet. Per Akklamation signalisierten alle Teilnehmenden ihre Zustimmung. Dieser Forderungskatalog wurde mitsamt Lösungsvorschlägen nun an den Bundesgesundheitsminister übermittelt. Er ist aufgefordert, bis zum 13. September Stellung zu den einzelnen Forderungen zu beziehen und konkrete Umsetzungsschritte zu benennen.
Mit dem Leitspruch "#PraxenKollaps – Praxis weg, Gesundheit weg" machten KBV und Kassenärztliche Vereinigungen bereits im Vorfeld auf die Krise in der ambulanten Versorgung aufmerksam.
Das sind die Forderungen der Praxen an die Politik
- Tragfähige Finanzierung: Retten Sie die Praxen aus den faktischen Minusrunden und sorgen Sie für eine tragfähige Finanzierung, die auch in der ambulanten Gesundheitsversorgung insbesondere Inflation und Kostensteigerungen unmittelbar berücksichtigt!
- Abschaffung der Budgets: Beenden Sie die Budgetierung, damit auch Praxen endlich für alle Leistungen bezahlt werden, die sie tagtäglich erbringen!
- Ambulantisierung: Setzen Sie die angekündigte Ambulantisierung jetzt um – mit gleichen Spielregeln für Krankenhäuser und Praxen!
- Sinnvolle Digitalisierung: Lösen Sie mit der Digitalisierung bestehende Versorgungsprobleme. Sorgen Sie für nutzerfreundliche und funktionstüchtige Technik sowie die entsprechende Finanzierung und belassen Sie die datengestützte Patientensteuerung in ärztlichen und psychotherapeutischen Händen!
- Mehr Weiterbildung in Praxen: Stärken Sie die ärztliche und psychotherapeutische Weiterbildung! Diese muss – um medizinisch und technisch auf dem aktuellen Stand zu sein – schwerpunktmäßig ambulant stattfinden. Beziehen Sie auch hier die niedergelassene Vertragsärzteschaft und Vertragspsychotherapeutenschaft ein!
- Weniger Bürokratie: Schnüren Sie das angekündigte Bürokratieabbaupaket, damit wieder die Medizin im Vordergrund steht und nicht der "Papierkram"!
Keine Regresse: Schaffen Sie die medizinisch unsinnigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen ab! Die Arzneimittelregresse müssen weg!