Auch fast zwei Jahre nach der Flut im Ahrtal haben viele Menschen mit den psychischen Auswirkungen zu kämpfen. Um den akuten Versorgungsbedarf langfristig zu decken, hat der Zulassungsausschuss in seiner gestrigen Sitzung per Sonderbedarf fünf weiteren Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit einem Umfang von 2,75 Versorgungsaufträgen sowie einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit einem Umfang von einem halben Versorgungsauftrag eine Zulassung erteilt. Die KV RLP begrüßt diese Entscheidung sehr.
Die Nachfragen nach Psychotherapie übersteigen im Ahrtal bei Weitem das psychotherapeutische Angebot. Nun dürfen drei neue Psychotherapeutinnen und zwei neue Psychotherapeuten sowie eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in der Region praktizieren. Voraussichtlich wird es in Adenau, Antweiler, Bad Neuenahr-Ahrweiler, Dernau und Mayschoß bald weitere dringend nötige Therapieangebote geben.
Möglich ist das durch das Instrument des Sonderbedarfs. Eigentlich ist der Planungsbereich in der Region des Ahrtals für die psychotherapeutische Fachgruppe nach der von der gesetzgebenden Instanz vorgegebenen Bedarfsplanung für den ambulanten Sektor gesperrt. Das heißt, es sind prinzipiell keine zusätzlichen Niederlassungen möglich. Aufgrund der dort herrschenden Situation wurde nun auf das Instrument des Sonderbedarfs zurückgegriffen. Dieses darf angewendet werden, wenn der Versorgungsbedarf dauerhaft erscheint.
Eindrücklicher Besuch im Ahrtal
"Wir begrüßen die Entscheidung des Zulassungsausschusses ausdrücklich. Durch die zusätzlichen Sitze kann etwas Abhilfe geschaffen werden", sagt KV RLP-Vorstandsmitglied und Psychotherapeut Peter Andreas Staub. "Es dürfen jedoch nicht die letzten Genehmigungen gewesen sein. In dieser Ausnahmesituation müssen weitere folgen. Der Bedarf ist weiterhin riesig."
Zusammen mit Vorstandsmitgliedern der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz hatte Staub vor rund vier Wochen das Ahrtal besucht. Bei Stationen in Dernau, Kalenborn und Mayschoß kamen sie sowohl mit betroffenen Bürgerinnen und Bürgern als auch mit Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch. "Uns wurde noch einmal ganz deutlich vor Augen geführt, wie verzweifelt die Menschen vor Ort sind und mit welchen Herausforderungen die Kolleginnen und Kollegen zu kämpfen haben", so Peter Andreas Staub.
Ein Teil der dort tätigen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten hatte sich mit einem Brief an die KV RLP, das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit und die rheinland-pfälzischen Krankenkassen gewandt, eindrücklich ihren schwierigen Alltag im Ahrtal geschildert und darum gebeten, sich für das Instrument des Sonderbedarfs stark zu machen. Unter anderem heißt es in dem Schreiben: "… im Hafen stehen Boote und Mannschaften bereit, die nur darauf warten, beschickt zu werden, um zu helfen. Bitte geben Sie den Kolleginnen die Chance, mit einer Sonderzulassung in See zu stechen und Ertrinkende zu retten."
Reformierung der Bedarfsplanung gefordert
Dass der unabhängig agierende Zulassungsausschuss nun erneut Sonderbedarfszulassungen genehmigt habe, sei in diesem Fall mehr als gerechtfertigt, betont Peter Andreas Staub. Gleichzeitig spricht er sich für eine Reformierung der Bedarfsplanung aus. Seit Langem kritisiert die KV RLP die Bedarfsplanung in der jetzigen Form. "Sie muss flexibler gestaltet werden und sich an den tatsächlichen Versorgungsbedarfen orientieren", fordert der Psychotherapeut. So könne die Versorgungslage langfristig stabilisiert werden.
Hintergrundinformationen zum Zulassungsausschuss
Der Zulassungsausschuss ist ein unabhängiges Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung. Er setzt sich aus sechs, bei Psychotherapie-Angelegenheiten aus acht Mitgliedern paritätisch aus Vertreterinnen und Vertretern der Ärzteschaft und der Krankenkassen zusammen. In Angelegenheiten von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie von überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärztinnen und Ärzten wird die Hälfte der Ärzteschaft durch Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ersetzt.
Wichtigste Aufgabe des Zulassungsausschusses, der in der Regel zweimal pro Monat tagt, ist es, Entscheidungen über die Zulassung von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten bzw. Vertragspsychotherapeutinnen und Vertragspsychotherapeuten zu treffen. Weiterhin beschließt das Gremium über die Ermächtigung von (Krankenhaus-)Ärztinnen und Ärzten bzw. Institutionen, die Anstellung von ärztlichen und psychotherapeutischen Mitgliedern und die Verlegung von Praxissitzen.