Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zur Sozialversicherungspflicht von freiberuflich tätigen Poolärztinnen und -ärzten wirkt sich erheblich auf den Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) in Rheinland-Pfalz aus. Aus diesem Grund haben die Mitglieder der Vertreterversammlung (VV) der KV RLP auf ihrer Sitzung am Mittwoch, den 15. November, mit überwältigender Mehrheit entschieden, die bewährten Regelungen des ÄBD notgedrungen zum 1. Januar 2024 anzupassen.
In ihrem Beschluss fordern die VV-Mitglieder den Vorstand der KV RLP dazu auf, sicherzustellen, dass sich die Dienstbelastung der niedergelassenen Ärzteschaft nicht weiter vergrößern wird. Andernfalls würde die Bereitschaft der nachkommenden Ärztegenerationen, sich im ambulanten Bereich zu engagieren, noch weiter reduziert werden.
Eine erhebliche Zahl an Ärztlichen Bereitschaftspraxen soll schließen
Eine Erhöhung der monatlichen Bereitschaftsdienstumlage von derzeit 270 Euro monatlich pro Ärztin bzw. Arzt müsse so gering wie möglich ausfallen. Es sei entscheidend, dass die zu treffenden neuen Regelungen die Bereitschaft der freiberuflich aktiven Poolärztinnen und -ärzte zu weiteren Dienste nicht vermindern. Poolärztinnen und -ärzte seien ein "eminent wichtiger Part in der Versorgung der Bevölkerung in den sprechstundenfreien Zeiten". Die VV-Mitglieder fordern den KV RLP-Vorstand dazu auf, eine erhebliche Anzahl von Ärztlichen Bereitschaftspraxen (ÄBP) zu schließen.
Nach intensiver Beratung innerhalb der KV RLP wird die Schließung die ÄBP in Altenkirchen, Andernach, Emmelshausen, Frankenthal, Gerolstein, Ingelheim und Landstuhl betreffen. Diese Auswahl wurde im Sinne der weiterhin bestmöglichen Patientenversorgung nach objektiven Kriterien getroffen. Eingeflossen sind unter anderem die Anzahl der behandelten Patientinnen und Patienten in einer ÄBP und die Entfernung zur nächsten ÄBP mit maximalen Öffnungszeiten. Darüber hinaus wurden weitere objektive Faktoren berücksichtigt, die zu dieser Standortentscheidung geführt haben.
Änderung der Bereitschaftsdienstordnung: ambulante Versorgung basiert auf drei Organisationssäulen
Auf Basis ihrer Forderungen verabschiedeten die VV-Mitglieder die geänderte Bereitschaftsdienstordnung (BDO) zum 1. Januar 2024. Demnach basiert die ambulante Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten auf den drei Organisationssäulen telemedizinischer Dienst (116117), dem Hausbesuchsdienst und den ÄBP. Eine Organisationssäule soll dabei immer erreichbar sein, um die ambulante Versorgung sicherzustellen. Für den Hausbesuchsdienst und die ÄBP werden flexible Dienstzeiten festgelegt, um der jeweiligen Versorgungslage gerecht zu werden.
Öffnungszeiten im ÄBD werden deutlich reduziert
Als Konsequenz aus dem BSG-Urteil werden in den ÄBP die Dienststunden in den wenig frequentierten Zeiten der ÄBP verringert. So sind die ÄBP montags, dienstags und donnerstags nach der neuen BDO geschlossen. Mittwochs, freitags, an Wochenenden und Feiertagen gelten reduzierte Zeiten bis zu einer Öffnung von maximal 22 Uhr. Nachts bleiben die ÄBP geschlossen.
Der Schwerpunkt der Dienste liegt im Hausbesuchsdienst. Die Zeiten umfassen grundsätzlich montags, dienstags und donnerstags von 20 bis 6 Uhr, mittwochs von 15 bis 6 Uhr, freitags von 16 Uhr bis montags 7 Uhr und an den Feier- und Brückentagen von 7 Uhr bis 7 Uhr am Folgetag. Der Fahrdienst an 30 Standorten bleibt in seiner jetzigen Form bestehen.
Personalkosten steigen infolge des BSG-Urteils deutlich
Auf die niedergelassene Ärzteschaft kommt ab dem Januar 2024 eine höhere Umlage von 340 Euro statt bisher 270 Euro monatlich zu. Hintergrund: Infolge des BSG-Urteils steigen die Personalkosten um rund 30 Prozent. Für die 427 Poolärztinnen und -ärzte, die rund 60 Prozent der Bereitschaftsdienste abdecken, müssen nun Sozialbeiträge abgeführt werden – auch rückwirkend für vier Jahre, was einer Höhe von geschätzt insgesamt rund 12,5 Millionen Euro entspricht. Ab sofort sind Zahlungen im Bereitschaftsdienst entsprechend dem jeweiligen Status – Zulassungsinhaberin bzw. -inhaber oder extern – zu prüfen und auszahlen. Darüber hinaus steht im Raum, dass in Praxen angestellte Ärztinnen und Ärzte sowie über 65-Jährige, die freiwillig Bereitschaftsdienste übernehmen, ebenfalls unter die Sozialversicherungspflicht fallen.
Bisher bekommen Ärztinnen und Ärzte im ÄBD einheitlich ein Honorar von 50 Euro in der Stunde. Um die Attraktivität des ÄBD für externe Ärztinnen und Ärzte zu erhalten, erhöhen sich die Stundensätze ab dem neuen Jahr: Der Dienst in den ÄBP wird mit 65 Euro pro Stunde und im Hausbesuchsdienst mit 55 Euro pro Stunde vergütet.
KV RLP-Vorstand: ÄBD aus GKV- oder Steuereinnahmen finanzieren
Angesichts der erheblich gestiegen Mehrkosten appelliert der Vorstand der KV RLP an die politisch Verantwortlichen, eine auch rückwirkend geltende Ausnahmeregelung zu schaffen, die die Poolärztinnen – und -ärzte sowie ärztlichen Angestellten im vertragsärztlichen System nicht in die Sozialversicherungspflicht zwingt. Es sei weiterhin das Ziel, die ambulante Versorgung auf dem bestehenden Niveau sicherzustellen. Die Arbeitsbelastung der Ärzteschaft und des Praxispersonals dürften nicht noch weiter strapaziert werden. Deshalb müsse der ÄBD aus Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung oder aus Steuereinnahmen finanziert werden.
Die ab Januar greifenden Maßnahmen im ÄBD leisten einen Beitrag, um die Folgen des BSG-Urteils für die Patientenversorgung abzufedern. Daneben soll die etablierte Patientennummer 116117 durch gezielte Patientensteuerung für Entlastung im ÄBD sorgen. Dr. Peter Heinz, Vorsitzender des Vorstands der KV RLP, fordert von der Politik darüber hinaus eine langfristige Lösung: "Um den Ärztlichen Bereitschaftsdienst dauerhaft sichern zu können, muss die Politik Rahmenbedingungen schaffen, die uns finanziell und personell auch die hierfür notwendigen Möglichkeiten bieten. Wir können es uns nicht leisten, die knappen personellen Ressourcen in der ambulanten Versorgung immer weiter zu belasten und die Niederlassung auch durch die Folgen solcher Urteile immer unattraktiver zu machen." Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende, Dr. Andreas Bartels, macht deutlich: "Wenn die Politik weiter untätig bleibt, ist das letztlich auch eine Form unterlassener Hilfeleistung."