Darum geht es
Eine der gesetzlich zugewiesenen Aufgaben der KV RLP ist die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung für gesetzlich Versicherte in Rheinland-Pfalz. Hierzu gehören eine möglichst wohnortnahe hausärztliche Versorgung sowie eine angemessene und zeitnahe Versorgung durch Fachärzt*innen aller Fachgebiete und Psychotherapeut*innen.
Die Ressource Ärzt*in wird jedoch immer knapper. Die Gründe für den Ärztemangel sind vielfältig. Die Bedarfsplanung, die Budgetierung, die Bürokratie, der Fachkräftemangel, fehlende Medizinstudienplätze und der Generationenwechsel spielen dabei eine Rolle.
Bedarfsplanung
Die Bedarfsplanung ist ein Instrument, das die Verteilung von Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen für die Behandlung gesetzlich Versicherter in Deutschland regelt. Wo sich Ärzt*innen einer Fachgruppe bzw. Psychotherapeut*innen niederlassen dürfen, gibt dabei bundesweit die Bedarfsplanungs-Richtlinie vor.
Auf regionaler Ebene setzen die Landesausschüsse diese Vorgaben um. Ein Landesausschuss setzt sich dabei jeweils für jedes Bundesland aus einer bzw. einem unparteiischen Vorsitzenden sowie zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern zusammen. Außerdem gehören dem Gremium Vertreterinnen und Vertreter der Ärzteschaft, der Krankenkassen, der Patientenschaft und des Gesundheitsministeriums an. Die Landesausschüsse stellen auf der Grundlage des regionalen Bedarfsplans, der auf der Bedarfsplanungs-Richtlinie beruht, fest, wo es zu viele oder zu wenige Ärzt*innen bzw. Psychotherapeut*innen gibt.
Dort, wo die Anzahl nach der Bedarfsplanungs-Richtlinie hoch genug bzw. zu hoch ist, wird eine Zulassungssperre verhängt (gesperrte Gebiete). Relevant hierfür ist der Versorgungsgrad einer Fachgruppe in einer Planungsregion. Grundsätzlich wird ab einem Versorgungsgrad von 110 Prozent gesperrt. Der Versorgungsgrad einer Region wird ermittelt, indem zwischen dem Ist-Niveau des tatsächlichen Einwohner-Arzt-Verhältnisses und dem Soll-Niveau verglichen wird. Die Verhältniszahlen des Soll-Niveaus werden aufgrund der veränderten Morbidität alle zwei Jahre angepasst.
In einem gesperrten Planungsbereich können sich Ärzt*innen bzw. Psychotherapeut*innen grundsätzlich nur dann neu niederlassen oder anstellen lassen, wenn eine Kollegin oder ein Kollege ihre bzw. seine Zulassung zurückgibt und damit ein Sitz in der Fachgruppe frei wird.
Außerdem gibt es in gesperrten Gebieten das Instrument der Sonderbedarfszulassungen. Dieses kann in Regionen angewendet werden, in denen ein lokaler und qualifikationsbezogener Sonderbedarf dauerhaft nötig erscheint.
Dort, wo die Öffnung eines Gebiets festgestellt worden ist, sind weitere Anstellungen oder Zulassungen möglich. Wer sich in einem offenen Planungsbereich niederlassen möchte, muss nicht auf eine frei werdende Praxis warten, sondern kann sowohl eine neue Praxis gründen als auch eine alte übernehmen oder problemlos in eine Berufsausübungsgemeinschaft einsteigen.
Horst Seehofer, seinerzeit Bundesgesundheitsminister, führte mit dem damaligen Gesundheitsstrukturgesetz 1992 die Bedarfsplanung und Zulassungsbeschränkungen für Vertragsärzt*innen sowie -psychotherapeut*innen ein, um Kosten zu senken und die Anzahl der tätigen Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen zu reglementieren.
Mit der Bedarfsplanung verfolgte Seehofer das Ziel, die Zulassung der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft so zu steuern, dass bundesweit eine wohnortnahe Versorgung mit Haus- und Fachärzt*innen sowie Psychotherapeut*innen sichergestellt wird. Außerdem sollte verhindert werden, dass sich weitere Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen in bereits gut versorgten Gebieten niederlassen.
Die Bedarfsplanung gibt vor, in welchen Gebieten man sich niederlassen darf und in welchen nicht. Viele Ärzt*innen, die sich Anfang der 1990er-Jahre niedergelassen haben, stehen nun vor der Rente. Hintergrund war das Gesundheitsstrukturgesetz, das 1992 verabschiedet wurde. Hierdurch wurden eingreifende Reformen beschlossen wie die Budgetierung oder weitreichende Eingriffe bei der Zulassung durch die Einführung der Bedarfsplanung.
Bevor die Regelungen in Kraft getreten sind, haben sich daher viele noch "schnell niedergelassen". Sie sind nun alle bereits in Rente oder werden es bald sein. Dadurch, dass diese ambulant Tätigen jetzt alle wegbrechen, werden Nachfolger*innen dringend gebraucht. Interessierte dürfen sich aufgrund der Regelungen der Bedarfsplanung nicht einfach dort niederlassen, wo sie möchten. Nur in offenen Planungsgebieten ist dies möglich.
Sich nicht frei für einen Praxisort entscheiden zu dürfen, schreckt viele ab. Auch wenn bei zugelassenen Ärzt*innen keine Altersbegrenzung zur Berufsausübung mehr besteht, ist der Ärztemangel gerade in ländlichen Gebieten bereits angekommen. Es gibt zurzeit nicht genügend weitergebildete Ärzt*innen, die diese Lücken schließen könnten. Nach Ansicht der KV RLP ist die Bedarfsplanung in der heutigen Zeit des Ärztemangels überholt.
Auch im psychotherapeutischen Bereich sieht die KV RLP Handlungsbedarf. Der aktuelle Zuschnitt der Planungsbereiche entspricht nicht mehr der Versorgungsrealität. So könnten beispielsweise neue Sitze geschaffen werden, indem man kreisfreie Städte als selbstständige Regionen ausweist. Dies würde für die Patienten und Patientinnen geringere Wartezeiten und kürzere Wege bedeuten. Der Vorstand der KV RLP plädiert daher für eine Reformierung der Bedarfsplanung.
Budgetierung
Eine Praxis niedergelassener Vertragsärzt*innen finanziert sich vor allem aus zwei Einnahmequellen: aus der Vergütung der gesetzlichen Krankversicherung (GKV) und aus der Gebührenordnung für Ärzte, die die Abrechnung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung regelt. Darunter fallen die Selbstzahler*innen, die privat krankenversichert sind, sowie Patient*innen, die individuelle Gesundheitsleistungen (IGel) in Anspruch nehmen.
Die gesetzlichen Krankenkassen stellen für die ambulante Versorgung ihrer Versicherten einen bestimmten Betrag je Quartal zur Verfügung – die sogenannte Gesamtvergütung. Das Geld geht nicht direkt von den Krankenkassen an die Praxen, sondern an die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), die es wiederum verteilen.
Zunächst reicht die Ärztin oder der Arzt quartalsweise für alle im jeweiligen Quartal behandelten Patient*innen eine Abrechnung bei der KV ein. Die Grundlage für die Abrechnung bildet der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM). Er ist eine Art Katalog und umfasst einen Großteil der Leistungen, die niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit den gesetzlichen Krankenkassen bundesweit abrechnen können. Daneben gibt es noch in geringem Umfang regionale Vereinbarungen wie zum Beispiel die Vergütung von Schutzimpfungen.
Die Leistungen des EBM haben keine feste Vergütung in Euro, sondern sind in Punkten bewertet. Die Bewertung der Leistungen in Punkten legt ein sogenannter Bewertungsausschuss für das Bundesgebiet fest. Der Bewertung liegen die Praxiskosten je Leistung sowie der Zeitaufwand der Ärztin bzw. des Arztes zugrunde. Viele Leistungen sind in der Häufigkeit begrenzt, zum Beispiel hausärztliche Gespräche. Zudem sind viele Leistungen im EBM über eine Quartalspauschale abgegolten, unabhängig davon, wie oft die Patientin bzw. der Patient in die Praxis kommt.
Seit 2009 steht hinter jeder Leistung nicht nur eine Punktzahl, sondern ein fester Euro-Wert. Dieser Euro-Wert kommt zustande, indem die den Einzelleistungen zugeordneten Punkte mit einem jährlich weiterentwickelten Orientierungswert multipliziert werden.
Ein Großteil der ambulanten Leistungen wird aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) honoriert. Diese ist für das jeweilige Quartal gedeckelt. Je mehr Leistungen die Ärzt*innen abrechnen, desto geringer ist die Vergütung der einzelnen Leistungen. Dies bildet sich über einen geringeren Punktwert (Verhältnis Geldmenge zu erbrachten Leistungen in Punkten) ab.
Hat die/der einzelne Vertragsärztin/Vertragsarzt oder Vertragspsychotherapeutin/Vertragspsychotherapeut eine bestimmte Leistungsmenge im Quartal überschritten, so wird der bereits quotierte Punktwert für die Leistungen über dem Budget nochmals abgesenkt. Dadurch werden die Leistungen mit einem geringeren Umrechnungsfaktor als dem Orientierungswert vergütet. Das bedeutet, es können nicht alle abgerechneten Leistungen zu den Preisen vergütet werden, die im EBM stehen.
Die Bewertung der Leistungen des EBM erfolgt sowohl in Punkten als auch in Euro. Der Orientierungswert ist der hierbei zugrunde gelegte Umrechnungsfaktor der Punktzahl in den Euro-Betrag. Dieser Umrechnungsfaktor gilt bundesweit und wird jährlich angepasst.
Zusätzliches Geld stellen die gesetzlichen Krankenkassen für Leistungen außerhalb der MGV als extrabudgetäre Gesamtvergütung bereit. Dazu zählen besonders förderungswürdige Leistungen wie Früherkennungsuntersuchungen, Impfungen, Psychotherapie oder ambulante Operationen. Diese Leistungen unterliegen nicht der Mengensteuerung und werden fest mit dem Orientierungswert und damit den Preisen des EBM vergütet. Der extrabudgetäre Teil umfasst aber nur ein Viertel der Gesamtvergütung.
Video: Honorarberechnung in 300 Sekunden | So kommt das Geld zum Arzt oder Psychotherapeuten
Vor gut 30 Jahren wurde in Lahnstein im Rahmen des Gesundheitsstrukturgesetzes die noch heute geltende Budgetierung beschlossen. Die Reform kam zu einer Zeit, in der die Kassen leer, die Vergütung der Ärzt*innen in großen Teilen ungedeckelt und die Angst vor einer Ärzteschwemme groß war. Was zunächst als zweijährige "Notbremse" gedacht war, um die steigenden Gesundheitsausgaben in den Griff zu bekommen, gilt bis heute fort.
In den drei Jahrzehnten nach der einschneidenden Reform hat sich viel geändert. Die Finanzlage der Krankenkassen hat sich seither stetig konjunkturell stabilisiert und destabilisiert. Zahlreiche weitere Reformen folgten, Gesetze wurden verabschiedet und umgesetzt, andere wieder aufgehoben. Alleine hieraus wird ersichtlich, dass die Einführung der Budgetierung nicht zur erhofften dauerhaften Finanzstabilität beigetragen hat. Was sich nicht geändert hat, ist das starre politische Klammern an die Budgetierung.
Die durch die Budgetierung nur unvollständige Vergütung der ohnehin durch die Gebührenordnung begrenzten EBM-Leistungen bedeutet, dass nur ein Teil der für den reinen Betrieb und die Leistungserbringung anfallenden Kosten der Praxis erstattet wird und die Ärzt*innen keine adäquate Vergütung für ihre persönlich erbrachten Leistungen erhalten. Die Praxen erfahren erst mehrere Monate später, welche Vergütung sie für ihre erbrachten Leistungen erhalten. Eine planbare Praxisführung ist somit kaum möglich, die Aufnahme neuer Patient*innen wird nicht adäquat honoriert.
Im Umkehrschluss bleibt der andere Teil der erbrachten, aber seitens der Krankenkassen nicht vergüteten Leistungen schlichtweg unterfinanziert und muss von den Praxen aus der eigenen Tasche oder durch andere Leistungen wie zum Beispiel Privatpatient*innen quersubventioniert werden.
Besonders drastisch wirkt sich die Budgetierung im Ärztlichen Bereitschaftsdienst aus: Aktuell werden dort die Leistungen aus dem budgetierten Anteil der Gesamtvergütung, der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, gezahlt bzw. dieser vorab entnommen. Wird der Ärztliche Bereitschaftsdienst beispielsweise aufgrund großer Infektwellen übermäßig in Anspruch genommen und dementsprechend viele Leistungen dort abgerechnet, geht das zulasten der vertragsärztlichen Praxen.
Steigt die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen im Bereitschaftsdienst weiter, bleibt weniger Honorar für die haus- und fachärztliche Regelversorgung, die ebenfalls aus dem budgetierten Anteil der Gesamtvergütung finanziert wird.
Bürokratie
Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen haben ihren Beruf in erster Linie gewählt, um sich um Patient*innen zu kümmern. Einen nicht unerheblichen Teil ihrer Zeit verbringen sie und ihre Praxisteams jedoch mit Organisation und Dokumentation. Diese Zeit fehlt für die Patientenversorgung. In einem gewissen Maße ist dies für ein funktionierendes Gesundheitssystem ohne Frage nötig. Es muss jedoch ständig abgewogen werden, wie wichtig noch ein weiteres Formular oder eine weitere Abfrage sind.
Daher setzen sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland für einen Bürokratieabbau ein. Außerdem nehmen sie neue Regelungen genau unter die Lupe, um eine bürokratieärmere Vorgehensweise durchzusetzen. Denn ein hohes Ausmaß an Bürokratie schreckt auch am ambulanten Bereich interessierten Nachwuchs ab.
Seit dem Jahr 2016 veröffentlicht die Kassenärztliche Bundesvereinigung regelmäßig einen Bürokratieindex für die vertragsärztliche Versorgung. Er stellt transparent dar, wie viel Zeit die niedergelassenen Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen sowie deren Angestellte im Jahr für Verwaltungsarbeit infolge von Vorgaben der gemeinsamen Selbstverwaltung aufwenden.
Fachkräftemangel
Sowohl im ärztlichen Bereich als auch bei den Praxisteams stellt der Fachkräftemangel eine enorme Herausforderung dar. Viele Ärzt*innen arbeiten länger, als sie müssten, weil sie keine Nachfolge finden. 24,7 Prozent der in Rheinland-Pfalz tätigen Hausärzt*innen sind 65 Jahre und älter (Stand 31. Dezember 2023). Bei den Fachärzt*innen beträgt der Anteil 12,9 Prozent, bei den Psychotherapeut*innen 17,1 Prozent: Altersstruktur
Der altersbedingte Nachbesetzungsbedarf in der vertragsärztlichen und vertragspsychotherapeutischen Versorgung liegt insgesamt bei 43 Prozent. Im hausärztlichen Bereich sind es 40, im fachärztlichen 41 und im psychotherapeutischen 43 Prozent: Nachbesetzungsbedarf
Auch freie Stellen mit qualifizierten Medizinischen Fachangestellten (MFA) zu besetzen, wird immer schwieriger. Ein Ansatz ist es, Praxispersonal selbst auszubilden. Auch junge Ärzt*innen absolvieren im Idealfall einen Teil ihrer Facharztweiterbildung im ambulanten Bereich und steigen im besten Fall im Anschluss an ihre Facharztweiterbildung in die Weiterbildungspraxis ein oder übernehmen sie sogar.
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Damit der ambulante Bereich attraktiver wird, braucht es einige Veränderungen wie die Reformierung der Bedarfsplanung, die Abschaffung der Budgetierung und den Abbau von Bürokratie. Außerdem muss die Anzahl der Medizinstudienplätze aufgestockt werden.
Medizinstudienplätze
Neben der Einführung von Zulassungsbeschränkungen wurden in den 1990er-Jahren auch etwa 6.000 der damals insgesamt rund 16.000 Medizinstudienplätze in Ost- und Westdeutschland abgebaut. Denn man fürchtete eine Ärzteschwemme. Auch dieser Abbau hat heute zur Folge, dass immer mehr Arztsitze nicht mehr besetzt werden können.
Laut der jüngsten Bedarfsprojektion für Medizinstudienplätze des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) fehlen in Deutschland bis zum Jahr 2040 jährlich durchschnittlich fast 2.500 ärztliche Nachbesetzungen. In den Jahren 2024 bis 2026 fällt dieses Defizit mit jeweils rund 5.000 Personen am höchsten aus. Angesichts der Versäumnisse, frühzeitig dem erwarteten Mangel an Ärztinnen und Ärzten durch ein Aufstocken der Studienplätze entgegenzuwirken, sind Engpässe in der medizinischen Versorgung nicht mehr aufzuhalten.
In Rheinland-Pfalz kommt verschärfend hinzu, dass nur die Johannes Gutenberg-Universität Mainz Studienplätze für Humanmedizin anbietet. Rheinland-Pfalz kann weniger als andere Bundesländer den eigenen Bedarf an Ärztinnen und Ärzten ausbilden und ist somit stärker auf die Zuwanderung junger Medizinerinnen und Mediziner angewiesen. Da viele Absolvent*innen aber einen heimatnahen Einsatz anstreben oder ihre Partnerin bzw. ihren Partner am Studienort finden, dürfte es rheinland-pfälzischen Ärzt*innen schwerer als Ärzt*innen anderer Bundesländer fallen, Nachfolger*innen für ihre Praxen zu finden.
Generationenwechsel
Die junge Medizinergeneration möchte immer seltener als Einzelkämpfer*in in Einzelpraxen tätig werden, sondern im Team in Berufsausübungsgemeinschaften (BAG), also Gemeinschaftspraxen, oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) arbeiten. Wie etwa die Studie "Generationswechsel in den Heilberufen" der apoBank aus dem Jahr 2021 zeigt, geht der Trend auch hin zu einer guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Damit einher gehen Anstellung statt Selbstständigkeit und arbeiten in Teil- statt in Vollzeit. Knapp die Hälfte der älteren befragten Heilberufler*innen schätzt den Stellenwert der Arbeit im Leben als hoch ein. Dies gilt bei der jungen Generation nur für gut ein Drittel. Auch dieser Trend führt dazu, dass die Zahl der über das Land verteilten Praxen sinkt. Berufsausübungsgemeinschaften und MVZ siedeln sich eher in größeren Ortschaften an. Einzelpraxen in Dörfern sterben immer mehr aus.
Der beschriebene Trend zur Teilzeit, vor allem in der weiblichen Ärzteschaft, hat wiederum weniger ärztliche Arbeitszeit zur Folge. Auch wenn die Anzahl der Ärzt*innen noch steigt, nimmt die Arbeitszeit insgesamt ab. Pro Minute verringert sich nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) rechnerisch die in allen deutschen Praxen verfügbare ärztliche Arbeitszeit um 474 Minuten. Alle vier Stunden geht der Versorgung damit quasi eine Ärztin bzw. ein Arzt verloren.
Was auf der einen Seite als Nachteil erscheint, bietet andererseits auch Vorteile. Durch die Arbeit im Team können sich Ärzt*innen besser austauschen, die Qualität der Versorgung gewinnt. Auch kann von MVZ oder BAG über Zweigpraxen auf dem Land die Versorgung in ländlichen Regionen flexibel sichergestellt werden, ohne dort in langfristige Strukturen investieren zu müssen. Die Folge dieser Entwicklung ist, dass es andere Formen der Versorgung vor allem in ländlichen Regionen geben wird und die Wege der Menschen zu den medizinischen Einrichtungen tendenziell weiter werden.
Dadurch, dass die Bevölkerung immer älter wird, geht gleichzeitig der Behandlungsbedarf aufgrund der steigenden Wahrscheinlichkeit für behandlungsbedürftige Krankheiten im Alter nach oben. Die sogenannte Multimorbidität, also das gleichzeitige Bestehen mehrerer Krankheiten bei einer Patientin oder einem Patienten, nimmt zu.
Praxisgeschichten aus Rheinland-Pfalz
Sie alle wollen ihre Patient*innen bestmöglich versorgen: In den Praxisgeschichten aus Rheinland-Pfalz erzählen KV RLP-Mitglieder von ihrer täglichen Arbeit als Ärzt*in oder Psychotherapeut*in, den vielfältigen Herausforderungen und den Vorteilen, in einer Praxis zu arbeiten.
Zahlen, Daten, Fakten
Landkreise und kreisfreie Städte
Aktuelle Zahlen zu niedergelassenen Haus- oder Fachärzt*innen sowie Psychotherapeut*innen in den rheinland-pfälzischen Landkreisen und kreisfreien Städten sind in den "Kreisdaten zur vertragsärztlichen Versorgung" zu finden. Außerdem enthalten die Auswertungen Daten zur Altersstruktur, zur Geschlechterverteilung und zur Erreichbarkeit der nächstgelegenen Hausarztpraxis:
Versorgungsforschung
Zudem stehen Arztzahlen in den rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinden und weitere rheinland-pfalzweite Auswertungen zur Verfügung:
Aktuell freie Sitze
Ärzt*innen oder Psychotherapeut*innen, die gesetzlich versicherte Patient*innen ambulant behandeln möchten, benötigen einen freien Arztsitz. Immer zum Monatsanfang werden die aktuell ausgeschriebenen Vertragsarzt- und Vertragspsychotherapeutensitze im Ärzteblatt Rheinland-Pfalz und auf der Website der KV RLP veröffentlicht:
Für Niederlassungsinteressierte ist von Bedeutung, ob der für sie infrage kommende Planungsbereich offen oder gesperrt ist. Relevant hierfür ist der Versorgungsgrad einer Fachgruppe in einer Planungsregion – grundsätzlich wird ab einem Versorgungsgrad von 110 Prozent gesperrt.
Wer sich in einem offenen Planungsbereich niederlassen möchte, muss nicht auf eine frei werdende Praxis warten, um eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zu erhalten. Sie oder er kann sowohl eine neue Praxis gründen als auch eine alte übernehmen oder problemlos in eine Berufsausübungsgemeinschaft einsteigen.
In einem gesperrten Planungsbereich ist eine Neu-Niederlassung oder Anstellung grundsätzlich nur dann möglich, wenn eine andere Ärztin bzw. ein anderer Arzt oder Psychotherapeut*in auf ihre bzw. seine Zulassung verzichtet und zur Ausschreibung bringt. Über die Sitzvergabe entscheidet der unabhängige Zulassungsausschuss. Gibt es mehrere Bewerber*innen auf einen Sitz, so prüft der Zulassungsausschuss anhand objektiver Kriterien, wer am besten geeignet ist.
Eine der gesetzlich zugewiesenen Aufgaben der KV RLP ist die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung für gesetzlich Versicherte in Rheinland-Pfalz. Hierzu gehören eine möglichst wohnortnahe hausärztliche Versorgung sowie eine angemessene und zeitnahe Versorgung durch Fachärzt*innen aller Fachgebiete sowie durch Psychotherapeut*innen.
Die Chancen, wie bedarfsgerecht und wohnortnah die KVen die vertragsärztliche Versorgung der gesetzlich Versicherten organisieren können, ist jedoch abhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen und politischen Entscheidungen, auf die KVen nur sehr begrenzten Einfluss haben.
Die gesetzlich bestehenden Regelungen wie die Bedarfsplanung und die Budgetierung stellen starre Grenzen dar. Diese machen es schwer für die KV RLP, die Sicherstellung flexibel, bedarfsgerecht und prospektiv zu gestalten. Würden diese starren Grenzen aufgehoben, hätte die KV RLP mehr Möglichkeiten und einen größeren Gestaltungsspielraum, um sich jetzt schon abzeichnende Probleme bereits heute lösen zu können.
Die KV RLP bringt die Interessen und Bedarfe ihrer Mitglieder sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene in unterschiedlichen Gremien innerhalb der Selbstverwaltung ein. Bei Themen, die die Gesetzgebung betreffen, versucht die KV RLP, ihre Inhalte über Lobbyarbeit und persönliche Kontakte in der Politik zu platzieren. Die 17 Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland sind auch untereinander und mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vernetzt, um ihren Einfluss gemeinsam geltend machen.
Der Zulassungsausschuss ist ein gesetzlich verankertes, unabhängiges und regional zuständiges Gremium. Dieses ist gegenüber der KV RLP nicht weisungsgebunden. Seine Mitglieder entscheiden über die Zulassung von Vertragsärzt*innen, Vertragspsychotherapeut*innen, Medizinischen Versorgungszentren sowie über die Ermächtigung von Krankenhausärzt*innen wie auch Institutionen im Land.
Der Zulassungsausschuss besteht in gleicher Zahl aus Vertreter*innen der Ärzteschaft sowie der Krankenkassen. In Angelegenheiten von Psychotherapeut*innen sowie von überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzt*innen wird die Hälfte der Ärzteschaft durch Psychotherapeut*innen ersetzt.
Der Zulassungsausschuss tagt etwa zweimal im Monat in Mainz. An den Sitzungen können in bestimmten Verfahren auch Vertreter*innen der Patientenorganisation und des Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz teilnehmen.
Video: Der Zulassungsausschuss | Niederlassung, Anstellung und Kooperationsformen in der Praxis
Projekte und Lösungsansätze
Als KV RLP halten wir ein umfangreiches Beratungsangebot bereit, mit dem wir Mitglieder und alle, die Mitglied werden möchten, in beruflichen Fragen und im Praxisalltag unterstützen. Das Angebot steht selbstverständlich auch den Praxisteams zur Verfügung und deckt alle wichtigen Themen ab:
Beratungsstelle Kommunen
Die Beratungsstelle Kommunen ist ein vom Land Rheinland-Pfalz gefördertes Projekt im Rahmen des Zukunftsprogramms "Gesundheit und Pflege – 2020". Sie baut eine Brücke zwischen den Kommunen in Rheinland-Pfalz und den Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitswesen. Die KV RLP hat den Gesamtüberblick über die Versorgungssituation im Bundesland.
Sie unterstützt mit der Beratungsstelle Kommunen, wenn sich vor Ort Probleme bei der ärztlichen Versorgung abzeichnen. Durch das aktive Zugehen auf die Gemeinden und die Zusammenarbeit mit der kommunalen Ebene sowie weiteren Akteur*innen im Gesundheitswesen schafft die KV RLP eine umfassende und breite Plattform zur Lösungsfindung.
Die Beratungsstelle steht allen kommunal Verantwortlichen für Fragen und Beratungen kostenlos zur Verfügung. Gemeinsam werden Analysen zur Einschätzung der Entwicklung erstellt, um zusammen Strategien zu erarbeiten. Durch Informationsveranstaltungen, gezielte Workshops und das Begleiten von Imagekampagnen können Kommunen für die zukünftige Entwicklung sensibilisiert und Projekte angestoßen werden.
KV initiativ
Unter dem Titel "KV initiativ" werden seit 2017 nahezu alle Kommunen aus Rheinland-Pfalz in Veranstaltungen zusammengebracht, um die aktuelle und zukünftige ambulante Versorgungssituation in den jeweiligen Regionen aufzuzeigen, Möglichkeiten zur Ärztegewinnung zu finden und Unterstützung anzubieten. Aufgrund der hohen Resonanz wurde "KV initiativ 2.0" sowohl im Onlineformat als auch in weiteren Präsenzveranstaltungen aufgelegt.
Im Mittelpunkt der interaktiven Formate stehen der Austausch und das Netzwerken. Ziel bleibt es weiterhin, gemeinsam und im engen Austausch mit den Kommunen Hand in Hand Lösungen für die ambulante medizinische Versorgung vor Ort zu finden. Auch über KV initiativ 2.0 hinaus wird die Veranstaltungsreihe fortgeführt.
Masterplan zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung in Rheinland-Pfalz
Sowohl die Beratungsstelle Kommunen als auch das Format "KV initiativ" sind im "Masterplan zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung in Rheinland-Pfalz" verankert:
Der zunehmenden Belastung des Gesundheitssystems durch einen steigenden Behandlungsbedarf kann auch mit einer intelligenten Patientensteuerung entgegengewirkt werden, um die vorhandenen Ressourcen effizient zu nutzen.
Ein Instrument dafür haben die Kassenärztlichen Vereinigungen bereits im Einsatz. Im Patientenservice 116117 führt medizinisch geschultes Personal bei Anrufer*innen mit akuten gesundheitlichen Beschwerden eine qualifizierte Ersteinschätzung mit dem zertifizierten Medizinprodukt "Strukturierte medizinische Ersteinschätzung für Deutschland" (SmED) durch. Je nach Ergebnis der Ersteinschätzung werden entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Das können zum Beispiel sein: die Anmeldung in einer Ärztlichen Bereitschaftspraxis oder ein Hausbesuch durch den Ärztlichen Bereitschaftsdienst – wenn die Anruferin oder der Anrufer das Zuhause aus gesundheitlichen Gründen nicht verlassen kann –, die Empfehlung, die Notaufnahme eines Krankenhauses aufzusuchen, oder – wenn keine unmittelbare Behandlung erforderlich ist – die Empfehlung, eine niedergelassene Praxis zu deren Öffnungszeiten zu besuchen.
Sollte sich bei einem Anruf herausstellen, dass ein Notfall vorliegt, informieren die Mitarbeitenden des Patientenservices 116117 umgehend die Rettungsleitstelle. Dadurch werden die Patient*innen in die für ihre Beschwerden passende Versorgungsebene gesteuert.
Video: SmED – Das Patienten-Navi bei der 116117
Ärzt*innen, die ihre Weiterbildung zur Fachärztin oder zum Facharzt absolvieren möchten, müssen bestimmte Stationen durchlaufen. Dabei sind sie in der Regel selbst dafür verantwortlich, die geforderten Weiterbildungsabschnitte in Krankenhäusern und Praxen zu organisieren.
In regionalen Weiterbildungsverbünden haben sich niedergelassene Praxen, Ärztenetze und Kliniken zusammengeschlossen und bieten den angehenden Fachärzt*innen die Weiterbildung als Komplettpaket an. Die Verbundweiterbildung bietet eine qualitativ hochwertige und lückenlose Weiterbildung im ambulanten und stationären Bereich. Über das Weiterbildungscurriculum werden alle erforderlichen Weiterbildungsinhalte vermittelt.
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Um einen Anreiz zu bieten, in den ambulanten Bereich hineinzuschnuppern bzw. dort tätig zu werden, bietet die KV RLP verschiedene Förderungen an.
Strukturfonds
- In ausgewiesenen Fördergebieten stellen die KV RLP sowie die Krankenkassen je zur Hälfte bereit:
- einmalig bis zu 39.000 Euro für Praxisneugründungen und -übernahmen bei vollem Versorgungsauftrag bzw. 19.500 Euro bei hälftigem Versorgungsauftrag,
- einmalig bis zu 19.500 Euro für die Einrichtung einer Nebenbetriebsstätte
- und bis zu 650 Euro pro Monat für eine Anstellung bei einem vollen Versorgungsauftrag und für längstens 60 Monate.
Mithilfe des Strukturfonds kam es bereits zu einer Vielzahl von Zulassungen und Anstellungen. Dadurch hat sich die Altersstruktur der Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen verjüngt, der Nachbesetzungsbedarf ist zurückgegangen. Ergänzend fördert auch das Land Rheinland-Pfalz hausärztliche Niederlassungen in Rheinland-Pfalz.
Nachwuchs (Famulatur, Praktisches Jahr, Weiterbildung)
Famulatur
Die KV RLP fördert die Famulatur in vertragsärztlichen Praxen mit 500 Euro pro Famulantin oder Famulant und Monat für bis zu drei mögliche Famulaturmonate. Medizinstudierende, die in Rheinland-Pfalz einen Famulaturplatz suchen, und Ärzt*innen, die hier einen Famulaturplatz anbieten möchten, können die Famulaturbörse der KV RLP nutzen. Die Angebote gelten für alle Fachrichtungen:
Praktisches Jahr
Akademische Lehrpraxen können für die Betreuung eines oder einer Studierenden eine Förderung in Höhe von 1.000 Euro je PJ-Tertial erhalten (Mittel aus dem Strukturfonds), sofern keine anderweitige Förderung des Praktischen Jahres (PJ) erfolgt: Akademische Lehrpraxen in Rheinland-Pfalz
Ergänzend zur Nachwuchsförderung der KV RLP fördert das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit Studierende, die einen Teil des PJ in der Allgemeinmedizin absolvieren. Wer sich im PJ im Wahlfach Allgemeinmedizin für ein Tertial in einer rheinland-pfälzischen Lehrpraxis entscheidet, kann in dieser Zeit eine finanzielle Förderung in Höhe von monatlich 600 Euro (also insgesamt 2.400 Euro) erhalten:
Weiterbildung
Um die ambulante ärztliche Patientenversorgung in Rheinland-Pfalz sicherzustellen, fördert die KV RLP die Weiterbildung von Ärzt*innen innerhalb aller Fachgruppen. Der Förderzuschuss soll helfen, die personellen und zeitlichen Aufwände der weiterbildenden Ärztin oder des Arztes abzudecken, die aus der Beschäftigung der Ärztin oder des Arztes in Weiterbildung entstehen. Einrichtungen, die eine Ärztin oder einen Arzt in Weiterbildung beschäftigen, können aktuell einen monatlichen Förderbetrag von bis zu 2.700 Euro erhalten.
Die Mindestdauer und die maximale Dauer der zu fördernden Weiterbildungsabschnitte richten sich nach den Vorgaben der jeweils geltenden Weiterbildungsordnung für die Ärzt*innen in Rheinland-Pfalz.
Für einige Fachrichtungen beteiligen sich die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen an der Förderung, weshalb hier mit 5.400 Euro ein höherer Förderbetrag monatlich weitergegeben werden kann. In hausärztlich versorgten Gebieten, in denen eine Unterversorgung droht oder bereits besteht, kann sich der Förderbetrag zusätzlich um monatlich 250 bzw. 500 Euro erhöhen. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen muss die drohende oder bestehende Unterversorgung vorher festgestellt haben:
Im ambulanten Bereich gibt es unterschiedliche Möglichkeiten zur Gestaltung des Praxisalltags. Ganz individuell können Interessierte genau das Modell auswählen, das am besten zu ihnen passt. Die Mitarbeitenden der KV RLP stehen ihnen dabei mit ausführlicher Beratung zur Seite.
Einzelpraxis
In einer Einzelpraxis kann die Inhaberin bzw. der Inhaber ganz persönliche Vorstellungen verwirklichen – und zwar in jeder Hinsicht. Es besteht medizinische, wirtschaftliche und organisatorische Unabhängigkeit, denn dort ist man sein eigener Chef. Mit einem hälftigen Versorgungsauftrag, der Teilzulassung, kann dort auch in Teilzeit gearbeitet werden.
Alleinige Praxisinhaber*innen sind wirtschaftlich unabhängig, tragen aber auch die nicht unerheblichen Kosten für Personal, Räumlichkeiten und Geräte alleine, ebenso wie das unternehmerische Risiko. Einzelpraxis muss jedoch nicht Einzelkampf bedeuten. Zum einen sind in einer Einzelpraxis bis zu drei Anstellungen in Vollzeit möglich. Außerdem kann man sich als niedergelassene Ärztin bzw. niedergelassener Arzt mit Kolleg*innen bzw. Psychotherapeut*innen fachlich und persönlich austauschen – etwa in einem Ärzte- beziehungsweise Praxisnetz oder in Qualitätszirkeln.
Praxisgemeinschaft
Ressourcen gemeinsam nutzen, aber medizinisch und wirtschaftlich eigenständig arbeiten: Das sind die Vorteile einer Praxisgemeinschaft. Dabei schließen sich zwei oder mehrere Ärzt*innen oder Psychotherapeut*innen unter einem Dach zusammen, wahlweise mit solchen gleicher oder unterschiedlicher Fachrichtung. Sie nutzen zum Beispiel Praxisräume, medizinische Geräte und Personal gemeinsam. Sie teilen sich die Kosten bei gleichzeitiger effektiver Auslastung der vorhandenen Infrastruktur. Investitionen tätigen sie gemeinschaftlich. Großer Pluspunkt: Sie können sich direkt fachlich mit Kolleg*innen austauschen.
Die Arbeitsteilung in der Praxisgemeinschaft ist flexibel handhabbar, auch von Verwaltungsaufgaben können sich die Partnerinnen und Partner gegenseitig entlasten. Fachlich und wirtschaftlich arbeiten die Mediziner*innen oder Psychotherapeut*innen völlig unabhängig. Denn in der Praxisgemeinschaft hat jede und jeder einen eigenen Patientenstamm und legt selbst die Schwerpunkte fest. Auch abgerechnet wird getrennt.
Berufsausübungsgemeinschaft
Die Gemeinschaftspraxis wird in der Verwaltungssprache Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) genannt. Hier arbeiten Ärzt*innen gleicher oder verschiedener Fachrichtungen sowie Psychotherapeut*innen zusammen. Sie teilen sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen nicht nur die Räumlichkeiten, die medizinischen Geräte und das Personal, sondern behandeln ihre Patient*innen auch gemeinsam, haben also denselben Patientenstamm.
Die Kosten werden ebenso wie die Gewinne und Verluste gesplittet. Die Haftung erfolgt gemeinschaftlich. Die Ärzt*innen und/oder Psychotherapeut*innen bilden eine wirtschaftliche und organisatorische Einheit und rechnen ihre Leistungen gemeinsam ab. Dennoch arbeitet jede und jeder eigenverantwortlich und medizinisch unabhängig. Bis zu drei Anstellungen je Ärztin bzw. Arzt sowie Psychotherapeut*in sind möglich. Eine BAG kann an einem Ort oder überörtlich – sogar KV-übergreifend – betrieben werden.
Ein großer Vorteil einer BAG ist die Zeitersparnis, die durch die gemeinsame Praxisverwaltung erzielt werden kann. Zum Beispiel muss die Abrechnung für die gesamte Praxis nur einmal erstellt werden. Auch die flexible Zeit- und Arbeitseinteilung spricht für diese Kooperationsform. Anwesenheit und Zusammenarbeit können optimal und je nach Bedarf aufeinander abgestimmt werden – ebenso das Leistungsangebot. Kolleg*innen der gleichen Fachrichtung können leicht ihre Sprechzeiten koordinieren. Zudem können sie gegenseitig als Vertretung einspringen. Hinzu kommt für alle der direkte fachliche Austausch, der die Qualität in der Praxis nachhaltig fördert.
Die Kooperationsform der BAG muss vom Zulassungsausschuss genehmigt werden. Außerdem ist das Abschließen eines Gesellschaftsvertrags erforderlich.
Video: Die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (ÜBAG) – Gemeinsam stark! | YouTube
Medizinisches Versorgungszentrum
Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) ist eine fachgleiche oder interdisziplinäre Einrichtung unter ärztlicher Leitung, unter deren Dach Ärzt*innen mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen und Psychotherapeut*innen arbeiten. Ziel ist es, an einem Ort eine strukturierte, patientenorientierte Versorgung aus einer Hand anzubieten. Im MVZ teilen sich die dort Tätigen die Ressourcen wie Räume, medizinische Geräte und das Personal, haben einen gemeinsamen Patientenstamm und rechnen gemeinsam ab.
In einem MVZ können Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen freiberuflich oder als Angestellte arbeiten. Welche Möglichkeiten sich jeweils vor Ort bieten, hängt davon ab, wie das jeweilige MVZ organisiert ist. Manche Einrichtungen setzen ausschließlich auf Freiberufler*innen, andere stellen nur an und wiederum andere favorisieren eine Mischform. In einem MVZ können unter Berücksichtigung der Bedarfsplanung unbegrenzt viele Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen angestellt werden.
Die Tätigkeit in einem MVZ kann für diejenigen interessant sein, die auf geregelte Arbeitszeiten oder eine flexible Abstimmung von Sprechstunden angewiesen sind, um zum Beispiel Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. In größeren MVZ sind Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen oft von Verwaltungsaufgaben entlastet. Der direkte fachliche Austausch ist immer gegeben.
Das Betreiben eines MVZ ist standortübergreifend möglich. Die Kooperationsform des MVZ muss vom Zulassungsausschuss genehmigt werden.
Jobsharing
Mit dem Jobsharing können sich Ärzt*innen derselben Fachrichtung bzw. Psychotherapeut*innen in einem Bereich niederlassen, der eigentlich für Neuzulassungen gesperrt ist – nämlich dann, wenn sie mit einer bzw. einem Kolleg*in kooperieren, die oder der bereits zugelassenen ist.
Das Leistungsvolumen der Praxis darf durch die Zusammenarbeit nicht wesentlich ausgeweitet werden. Die Höhe hängt von verschiedenen Vorgaben je nach Größe der Praxis und Dauer der Tätigkeit ab. Da der Versorgungsauftrag gemeinsam wahrgenommen wird, können An- und Abwesenheiten flexibel aufeinander abgestimmt werden. Wichtig ist nur, dass die Patientenversorgung gewährleistet bleibt. Der fachliche Austausch ist genauso unkompliziert möglich wie die gemeinsame Nutzung von Räumen, medizinischen Geräten und Personal. Bedarfsplanerisch werden beim Jobsharing, diejenigen, die in eine bestehende Praxis einsteigen, nicht mitgezählt. Sie erhalten auch kein eigenes Budget.
Das Jobsharing eignet sich gut als Kooperationsform, um die eigene Praxis zu übergeben. Ältere Ärzt*innen bzw. Psychotherapeut*innen können ihre Tätigkeit in diesem Rahmen langsam beenden und zugleich dem Nachwuchs Zugang zum vertragsärztlichen System ermöglichen.
Partnerschaft oder Anstellung
Der Praxis stehen zulassungsrechtlich zwei verschiedene Formen des Jobsharings zur Auswahl: die Jobsharing-Anstellung und die Jobsharing-Partnerschaft (oft auch Jobsharing-Zulassung genannt).
Die beiden Varianten unterscheiden sich vor allem durch den Status des Jobsharers in der Praxis. Ein*e Angestellte*r übt ihre bzw. seine Tätigkeit in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung aus. Bei der Jobsharing-Partnerschaft schließt man einen Gesellschaftsvertrag, der unter anderem die Gewinn- und Verlustverteilung der Praxis regelt. Jobsharing-Partner*innen erhalten unabhängig von den Zulassungsbeschränkungen nach zehn Jahren der gemeinsamen Tätigkeit automatisch eine eigene Zulassung. Diese gibt es für Jobsharing-Angestellte nicht.
Öffnung eines Planungsbereichs
Was passiert, wenn ein Planungsbereich auf Grundlage der Bedarfsplanung partiell geöffnet wird, also freie Sitze verfügbar werden? Dann bekommen die Jobsharing-Partner*innen zuerst eine eigene Zulassung – und zwar in der Reihenfolge der längsten Tätigkeit. Gibt es mehr freie Sitze als Jobsharing-Partner*innen im Planungsbereich, werden die Jobsharing-Anstellungen bei der Verteilung der übrigen Sitze berücksichtigt. Hier sind der Tätigkeitsumfang und die Dauer der Tätigkeit die entscheidenden Kriterien. Die Jobsharing-Angestellten bleiben angestellt, die Leistungsbegrenzung des Jobsharings entfällt jedoch. Sollten im Anschluss freie Sitze übrigbleiben, werden diese ausgeschrieben. Ein aktuelles Beispiel aus Rheinland-Pfalz ist hier zu finden: Pressemitteilung vom 28. Februar 2024, Pressemitteilung vom 7. Juli 2024
Praxisnetze
Kooperationen zur nachhaltigen Verbesserung der ambulanten medizinischen Versorgung vor Ort – das ist das Ziel von Praxisnetzen. In einem Praxisnetz arbeiten Vertragsärztinnen und Vertragsärzte verschiedener Fachrichtungen im lokalen oder regionalen Verbund effizient, organisiert und am Bedarf orientiert zusammen. Krankenhäuser, Pflegedienste, Apotheken oder andere Anbietende am Gesundheitsmarkt können ebenfalls im Rahmen einer Kooperationspartnerschaft beteiligt sein.
Video: Praxisgemeinschaft der WoGe | Integrierte Versorgung bei GO-LU
Wenn eine Hausarztpraxis in Rheinland-Pfalz kurzfristig schließt, sich keine Nachfolge findet und dadurch ad hoc ein Versorgungsengpass entsteht, kann eine der beiden Mobilen Arztpraxen der KV RLP bald helfen. Sie sind für die Übergangszeit zur Stelle, um Patientinnen oder Patienten in der Nähe ihres Wohnorts hausärztlich zu versorgen. Eine Ärztin oder ein Arzt kümmert sich um die Patientinnen und Patienten, unterstützt durch medizinisches Fachpersonal.
Was genau ist die Mobile Arztpraxis?
Die Mobile Arztpraxis ist ein 3,5-Tonnen-Fahrzeug, das wie eine Hausarztpraxis ausgestattet ist. Wo ad hoc in Rheinland-Pfalz Versorgungsengpässe entstehen, kann die Mobile Arztpraxis eingesetzt werden. Das ist vor allem dann der Fall, wenn eine Hausarztpraxis schließt und viele Menschen kurzfristig nicht ausreichend medizinisch versorgt werden können. Die Mobile Arztpraxis ist keine Dauerlösung, aber sie hilft unter anderem, den Zeitraum zu überbrücken, bis die Patientinnen und Patienten eine neue Praxis gefunden haben oder die alte Praxis wieder öffnet. Zwei Mobile Arztpraxen sind in Rheinland-Pfalz unterwegs – da, wo sie gerade gebraucht werden.
Wer steckt hinter dem Angebot?
Die KV RLP ist die Betreiberin der beiden Mobilen Arztpraxen. Das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz unterstützt das Projekt und hat daher 50 Prozent der Investitionskosten beigesteuert. Bei den Krankenkassen kommt die Idee der Mobilen Arztpraxen ebenfalls gut an. Sowohl die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland – Die Gesundheitskasse als auch die IKK Südwest sind Unterstützerinnen.
Zusätzlich arbeitet die KV RLP eng mit den Gemeinden im Land zusammen: Sie sorgen für die nötige Infrastruktur vor Ort, damit die Mobilen Arztpraxen für die Patientinnen und Patienten da sein können. Dazu wird vor jedem Einsatz eine Kooperationsvereinbarung zwischen der KV RLP und der entsprechenden Kommune geschlossen. Diese stellt unter anderem einen Warteraum, einen barrierefreien Behandlungsraum für Menschen mit körperlichen Einschränkungen und Toiletten bereit.
Welche Kriterien gelten für den Einsatz?
Zwei Mobile Arztpraxen sind in ganz Rheinland-Pfalz unterwegs. An ihren Einsatz sind bestimmte Kriterien geknüpft. Diese sind:
Kurzfristig entstehender, nicht auffangbarer Versorgungsengpass
Wenn kurzfristig ein nicht auffangbarer Versorgungsengpass etwa durch die plötzliche Schließung einer Hausarztpraxis entsteht und ein größerer Patientenkreis nicht ausreichend versorgt werden kann, ist dies ein Kriterium für den Einsatz der Mobilen Arztpraxis. Damit einher geht: Es steht aktuell keine Nachfolge für die Übernahme der Praxis zur Verfügung und nicht alle Patientinnen und Patienten können durch die umliegenden Arztpraxen weiterversorgt werden.
Abstimmung mit Ärzteschaft in der Region
Wenn die Mobile Arztpraxis zum Einsatz kommt, nimmt die KV RLP Kontakt mit den Arztpraxen in der jeweiligen Region auf. Sollten die befragten Praxen nicht alle betroffenen Patientinnen und Patienten aufnehmen und weiterversorgen können, spricht dies für den Einsatz der Mobilen Arztpraxis. Die umliegenden Praxen werden über den Einsatz informiert.
Vereinbarung mit der Kommune
Wird die Mobile Arztpraxis in einer Region gebraucht, ist die Unterstützung durch die Kommune nötig. Sie stellt zum Beispiel Strom und die sanitären Anlagen zur Verfügung. Im Vorfeld eines Einsatzes stimmt sich die KV RLP eng mit der Kommune ab und regelt alle Details in einer Kooperationsvereinbarung.
Reihenfolge der Einsätze
Vor einem Einsatz der Mobilen Arztpraxis müssen die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sein. Gibt es mehrere Regionen, auf die alle Kriterien zutreffen, soll die Versorgungslage den Ausschlag dafür geben, wo die Mobile Arztpraxis zum Einsatz kommt. Die KV RLP entscheidet über die finale Einsatzplanung. Sollte der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in einem Gebiet eine Unterversorgung feststellen, kann die Mobile Arztpraxis auch vorrübergehend dort eingesetzt werden.
Einsatzdauer
Die Einsatzdauer an einem Ort richtet sich nach der Zahl der gleichzeitig bestehenden Versorgungsengpässe in Rheinland-Pfalz. Grundsätzlich soll die Mobile Arztpraxis aufgrund von Auf- und Abbauzeiten mindestens einen Tag an einem Ort bleiben. Die Einsatzdauer insgesamt ist zunächst auf drei Monate beschränkt. Im Anschluss besteht je nach Auslastung gegebenenfalls die Möglichkeit, den Einsatz auf maximal sechs Monate zu verlängern.
Woher weiß man, wann die Mobile Arztpraxis wo im Einsatz ist?
Auf der Website der KV RLP erfahren Patientinnen und Patienten immer aktuell, wo die Mobile Arztpraxis wann hinkommt. Auch die jeweilige Gemeindeverwaltung kennt den Einsatzort und die Sprechzeiten. Zusätzlich erfahren die Bürgerinnen und Bürger der entsprechenden Region in der Regel aus der Tageszeitung, dem Amtsblatt oder dem Wochenblatt, wenn die Mobile Arztpraxis bei ihnen unterwegs ist – oder über Aushänge zum Beispiel an ihrer alten Hausarztpraxis.
Haltestellen
Wer kann das Angebot nutzen?
Das Angebot ist für alle da, unabhängig von der Krankenkasse. Behandelt werden Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren. Auch Privatversicherte dürfen die Mobile Arztpraxis aufsuchen. Voraussetzung für eine Behandlung ist das vorherige Vereinbaren eines Termins. Dies ist über eine Online-Terminbuchung oder telefonisch frühestens eine Woche im Voraus möglich.
Terminbuchung
Wie lange bleibt die Mobile Arztpraxis an einem Ort?
Normalerweise kommt die Mobile Arztpraxis höchstens drei, im Ausnahmefall auch einmal bis zu sechs Monate an einen Einsatzort. Findet sich vor Ablauf der Einsatzzeit eine andere, dauerhafte Versorgungsmöglichkeit für die Patientinnen und Patienten, zieht die Mobile Arztpraxis weiter.
Mit welchen Beschwerden kann ich in die Mobile Arztpraxis gehen?
In der Mobilen Arztpraxis werden alle gesundheitlichen Beschwerden behandelt, mit denen Patientinnen und Patienten auch zu ihrer Hausarztpraxis gehen würden. Eine Ärztin oder ein Arzt kümmert sich um die Patientinnen und Patienten, unterstützt durch medizinisches Fachpersonal.
Notfälle werden nicht in der Mobilen Arztpraxis behandelt. Wenn Menschen lebensbedrohlich oder folgenschwer verletzt sind, ohne sofortige Behandlung bleibende gesundheitliche Schäden befürchten oder sich aufgrund ihrer Beschwerden Sorgen um ihr Leben machen, sollte immer der Rettungsdienst unter der Notrufnummer 112 alarmiert werden, denn dann kann es sich um einen Notfall handeln.
Fälle für die 112 (Beispiele)
- schwere Atemnot
- Bewusstlosigkeit
- starke Brustraum- oder Herzbeschwerden
- akute Krampfanfälle
- Verbrennungen oder Vergiftungen
- Strom- oder Ertrinkungsunfälle
- Unfälle mit Verdacht auf starke Verletzungen
Werden in der Mobilen Arztpraxis Rezepte oder eine AU ausgestellt?
Ja, in der Mobilen Arztpraxis können Patientinnen und Patienten auch Rezepte Medikamente bekommen. Auch das Ausstellen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ist möglich. Wer die Mobile Arztpraxis zum ersten Mal in Anspruch nehmen möchte, benötigt einen persönlichen Termin, damit die Ärztin oder der Arzt das Beschwerdebild kennenlernt. Für ein Folge-Rezept oder eine Folge-AU reicht dagegen ein Anruf.
Macht die Mobile Arztpraxis Hausbesuche?
Die Mobile Arztpraxis macht keine Hausbesuche. Ob ein Hausbesuch durch eine Ärztin oder einen Arzt des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes möglich ist, können Patientinnen und Patienten rund um die Uhr und kostenfrei unter der Telefonnummer 116117 klären.
Forderungen
Die aktuelle Bedarfsplanung als Zulassungsverhinderungsinstrument muss grundlegend reformiert werden. Der Vorstand der KV RLP sieht in der Abschaffung der Bedarfsplanung für alle grundversorgenden vertragsärztlichen Fachgebiete sowie Vertragspsychotherapeut*innen die einzige Möglichkeit, der bevorstehenden medizinischen Versorgungskatastrophe entgegenzuwirken. Die Befürchtung, dass sich ohne Bedarfsplanung in ihrer jetzigen Form nur noch Ärzt*innen in vermeintlich lukrativen Gebieten niederlassen könnten, teilt der Vorstand der KV RLP nicht. Denn schließlich liegt allen Ärzt*innen daran, ihr berufliches Auskommen zu sichern. In einem gut versorgten Gebiet ist dies schwieriger.
Für die Psychotherapeut*innen sieht die KV RLP die Bedarfsplanung in der jetzigen Form äußerst kritisch. Schließlich ist der Bedarf an psychotherapeutischen Leistungen in der Bevölkerung hoch und steigt in Krisenzeiten weiter an. Weitere Psychotherapeut*innen, die gerne gesetzlich Versicherte versorgen würden, werden mit der aktuellen Bedarfsplanung an einer Niederlassung gehindert.
Die Reform der Bedarfsplanung im Jahr 2019 ist völlig unzureichend und deckt aus Sicht der KV RLP bei Weitem nicht den wissenschaftlich und fachlich festgestellten Bedarf an zusätzlichen psychotherapeutischen Behandlungsplätzen. Die langen Wartezeiten von häufig mehr als einem Jahr sind unzumutbar. Notwendige Veränderungen können letztlich jedoch nur im Schulterschluss mit anderen Akteur*innen im Gesundheitswesen angestoßen werden. Dafür setzt sich die KV RLP mit Nachdruck ein.
Video: Rigide Bedarfsplanung | Prof. Hecken vom G-BA bei Doc Bartels
Die Budgetierung ärztlicher Leistungen muss aufgehoben werden. Seit der Einführung der Budgetierung im Jahr 1993 haben die ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte gegenüber den Krankenkassen Beträge in Milliardenhöhe eingespart. Fachärztinnen und Fachärzte beispielsweise erhalten derzeit knapp 90 Prozent ihrer Leistungen vergütet. Die Entbudgetierung in Bereichen der Kinder- und Jugend-medizin sowie in der Allgemeinmedizin kann nur ein erster Schritt sein. Diese muss auf alle Fachgruppen ausgeweitet werden. Der Wegfall extrabudgetärer Leistungen wie die Streichung der Neupatientenregelung im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz oder die Streichung von bisher gezahlten Zuschlägen bei der telefonischen Krankenschreibung weisen hingegen in die falsche Richtung und müssen rückgängig gemacht werden.
Die aktuellen Rahmenbedingungen sind kein Anreiz, sondern vielmehr Hinderungsgrund, in der vertragsärztlichen Versorgung tätig zu werden. Das schon bestehende Nachwuchsproblem wird sich weiter zuspitzen. Im langen und erschöpfenden Diskurs, die bestehende Budgetierung endlich beiseite zu legen, hat uns die Versorgungsrealität längst auf der rechten Spur überholt. Immer weniger Vertragsärzt*innen müssen immer mehr Patient*innen versorgen. Dabei müssen sich viele von ihnen auf immer länger werdende Wartezeiten und Schlangen vor den Praxen einstellen. Grund hierfür ist neben weiteren falschen politischen Weichenstellungen auch die Budgetierung, die viele Nachwuchsmediziner*innen abschreckt, vertragsärztlich tätig zu werden. Die Sorge, die Ärzteschaft würde unnötige Mengenausweitungen zulasten der Versicherten vornehmen, kann aufgrund der aktuellen Situation zumindest kein Argument mehr sein. Dieser Umgang mit Ärzt*innen ist respektlos und in hohem Maß unwürdig.
Die Bürokratielast in den Praxen bindet enorm hohe Zeitressourcen. Die Praxen benötigen mehr Zeit für ihre Patient*innen. Daher fordert die KV RLP die Politik auf, hier endlich zu handeln und Bürokratie nicht nur abzubauen, sondern gar nicht erst entstehen zu lassen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat bereits Entbürokratisierungsmaßnahmen. Diese müssen zum einen schnellstmöglich realisiert werden und zum Zweiten eine echte, nachhaltige Wirkung zeigen.
Der Bürokratieaufwand in den Vertragsarztpraxen wird mit dem Bürokratieindex der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) repräsentativ erfasst. Danach verbringt eine Praxis pro Jahr rund 60 Tage mit Dokumentationsaufgaben. Die bürokratische Belastung stellt ein beachtliches Problem und auch ein zentrales Niederlassungshemmnis für junge Mediziner*innen dar. Formularflut, Dokumentationspflicht, Antragstellung – die Bürokratietreiber sind bekannt. Gerade vor dem Hintergrund der knappen Ressource Arztzeit gilt es, stetig daran zu arbeiten, sie zu reduzieren und den Fokus wieder mehr auf das Wesentliche zu lenken: die Versorgung der Patient*innen.
Die KV RLP spricht sich dafür aus, dass die Digitalisierung vorangetrieben wird. Denn die Potenziale und die Notwendigkeit der digitalen Gesundheitsversorgung sind völlig unbestritten. Nur: Sie muss funktionieren. Erst wenn die Telematik-Infrastruktur (TI) störungsfrei einsetzbar ist, sodass sie als „Plug and Play“ funktioniert, sollten die Anwendungen in den Praxen eingesetzt werden. Funktionieren sie nicht – und das war leider bisher sehr häufig der Fall – sind die Anwendungen mit einem hohen zeitlichen und bürokratischen Aufwand verbunden und stören somit den Ablauf der Praxen.
Daher ist es notwendig, die TI in ihrer jetzigen Form und die Strafsanktionen auszusetzen und eine neue Strategie zu entwickeln. Die Politik muss vorrangig ihre Hausaufgaben erledigen. Ausführlich im Strategiepapier der KBV „Strukturen bedarfsgerecht anpassen – Digitalisierung sinnvoll nutzen“: KBV 2025.
Video: Digitalisierung ist mehr als eAU und eRezept | Digitalmediziner Prof. Kuhn bei Doc Bartels
Zur zukünftigen Sicherstellung der Versorgung ist die KV RLP darauf angewiesen, dass die Politik den ärztlichen Nachwuchs im Blick hat, die richtigen Rahmenbedingungen schafft und ausreichend Medizinstudienplätze zur Verfügung stellt. Dies ist seit den 1990er-Jahren nicht mehr der Fall, als über 6.000 Medizinstudienplätze nach der Einführung von Zulassungsbeschränkungen im Januar 1993 abgebaut wurden. Die Effekte dieser politischen Versäumnisse stellen heute die Versorgung vor tägliche Herausforderungen.
Die KV RLP fordert, die Zahl an Medizinstudienplätzen in Rheinland-Pfalz deutlich aufzustocken. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl gibt es in Rheinland-Pfalz die viertniedrigste Zahl an Medizinstudienplätzen von allen Bundesländern. Rheinland-Pfalz kann daher weniger als andere Bundesländer den eigenen Bedarf an Ärzt*innen ausbilden und ist somit stärker auf die Zuwanderung Mediziner*innen angewiesen.
Ein wichtiger Schritt zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung ist die praxisnahe Weiterbildung – sowohl für die Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen als auch deren Praxisteams. Der Fachkräftemangel ist jedoch auch in den Praxen in Rheinland-Pfalz angekommen. Und zwar durchweg in allen Regionen und in allen Fachrichtungen. Die KV RLP unterstützt den medizinischen Nachwuchs und fördert auch finanziell die ärztliche Weiterbildung. In der Weiterbildung finden häufig spätere Praxispartner*innen zusammen. Es folgt in vielen Fällen ein nahtloser Übergang in die ambulante, vertragsärztliche Versorgung.
Es ist nicht akzeptabel, dass die Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung über das ärztliche Honorar erfolgt. In anderen Berufsständen ist die Finanzierung solcher Angebote auch nicht über den Berufsstand aufzubringen. Es handelt sich hier um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Der Fachkräftemangel besteht bereits heute im Hinblick auf das ärztliche, aber auch das nicht-ärztliche Praxispersonal. Immer häufiger müssen Ärzt*innen ihre Praxen schließen, da sie keine Nachfolge finden. Ein weiterer Grund für Praxisschließungen, für das Reduzieren des Versorgungsauftrags oder das Beantragen des Ruhens der Zulassung ist der Mangel an Medizinischen Fachangestellten (MFA).
Dieses Berufsbild war schon immer und ist noch heute enorm wichtig. Es hat sich in den letzten Jahren enorm gewandelt und weiterentwickelt. Die Aufgaben und Arbeitsinhalte von Medizinischen Fachangestellten sind vielfältig, ihre Verantwortung ist hoch. Ob Digitalisierung, Qualitätsmanagement, Medizinprodukte-Aufbereitung, Hygiene-Anforderungen – in all diesen Feldern müssen die MFA fit sein.
Hinzu kommt, dass sie für die Patient*innen erste Ansprech- und Vertrauensperson sind. Das führt häufig dazu, dass die MFA zum „Frustablassen“ genutzt werden. Sie müssen dann für sämtliche Problematiken im Gesundheitswesen geradestehen.
Allerdings erhalten die Praxisteams oft gerade von politischer Seite nicht die ihnen gebührende Wertschätzung. Die Weiterentwicklung der Arbeitsinhalte und die damit gestiegene Verantwortung muss auch finanziell honoriert werden.
Die seit Jahren angebotene Nullrunde der Krankenkassen in den Honorarverhandlungen und die letztendlich auf Bundesebene verhandelten Steigerungen, verbunden mit den unaufhörlich steigenden Praxiskosten, ermöglichen es den Niedergelassenen in vielen Fällen nicht, ihr Fachpersonal in der eigentlich nötigen Höhe zu bezahlen. Vor dem Hintergrund fordert die KV RLP einen Strukturzuschlag ein, der extrabudgetär vergütet werden soll. Durch diesen können die steigenden Personalkosten gesondert berücksichtigt werden. Somit werden die Praxisinhaber*innen in die Lage versetzt, den Strukturzuschlag unmittelbar an das medizinische Fachpersonal weiterzugeben und im Wettbewerb um Fachkräfte mitzuhalten.
Trotz steigender Inflationsrate in den vergangenen Jahren wurden diese Preisentwicklung bislang nicht im Rahmen der Honorarverhandlungen berücksichtigt. Es muss daher endlich ein separater Inflationskostenausgleich vereinbart werden.
Video: Medizinische Fachangestellte sind gefrustet | MFA-Präsidentin König beim Talk mit Doc Bartels
Patient*innen nehmen ambulante Leistungen im Vergleich mit anderen Ländern überdurchschnittlich häufig in Anspruch. Bei der Anzahl der Arztbesuche liegen wir in Deutschland mit an der Spitze. Politiker*innen erwarten, dass die Praxen uneingeschränkt für die Patient*innen da sind und auch die Angebote der Kassenärztlichen Vereinigungen ohne Limit zur Verfügung stehen. Besonders deutlich wird dies immer wieder zwischen den Jahren im Ärztlichen Bereitschafsdienst. Viele Patient*innen erheben den Anspruch, zu jeder Tages- und Nachtzeit unmittelbar versorgt zu werden. Darunter befindet sich eine Vielzahl an Fällen, die eigentlich keinen dringenden Arzt-Patienten-Kontakt benötigten.
Um die ohnehin schon schwindenden Ressourcen zu schonen, sollte aus unserer Sicht die Überinanspruchnahme reduziert werden. Dazu gehört neben der staatlichen Aufgabe, die Gesundheitskompetenzen der Bürger*innen zu stärken, auch die Notwendigkeit der Versicherten selbst, Mitverantwortung für ihr eigenes Solidarsystem zu übernehmen. Daher fordern wir eine sozial abgefederte Selbstbeteiligung. Diese Maßnahme könnte bewirken, dass Beitragssätze insgesamt sinken und damit alle Patient*innen finanziell entlastet werden.
Die KV RLP sieht sich in der Verantwortung, kranke Menschen zu versorgen. Um den hohen Standard zu halten, muss die Politik die Rahmenbedingungen entsprechend weiterentwickeln. Auch Prof. Josef Hecken, Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses, unterstützt eine sozial ausgestaltete Selbstbeteiligung.
Selbstbeteiligungen führen nicht zu einem Schaden der Bevölkerung. So lag die durchschnittliche Lebenserwartung 2014 zum Beispiel in folgenden Staaten mit Selbstbeteiligungen höher als die in Deutschland: Frankreich: 79,5 Jahre (Männer) und 86 Jahre (Frauen) und Schweden: 80,4 Jahre (Männer) und 84,2 Jahre (Frauen). Zum Vergleich in Deutschland: 78,7 Jahre (Männer) und 83,6 Jahre (Frauen) (statista.com).
Die Einführung einer Selbstbeteiligung für Patient*innen bei Arztbesuchen ist eine Frage der Gerechtigkeit. Eine sozial abgefederte Selbstbeteiligung soll helfen, unser Gesundheitssystem funktional zu halten und unnötige Leistungsinanspruchnahmen und Arzt-Patientenkontakte zu reduzieren. Die Versorgungsressourcen sind im stationären wie im ambulanten Bereich aus unterschiedlichen Gründen dramatisch kurz vor der Erschöpfung. Das unerschöpfliche Leistungsversprechen der Politik bringt unser Solidarsystem zum Kollaps. Hier muss jede Bürgerin und jeder Bürger Eigenverantwortung übernehmen.
Die unbedachten Inanspruchnahmen einer Minderheit treiben die Beitragssätze für alle nach oben. Ein verantwortungsvoller Umgang könnte unter Umständen sogar eine Beitragsentlastung bedeuten. Die hohe Inanspruchnahme der Ressource Arzt bei leichten Gesundheitsstörungen ist zu hinterfragen. Eine gerechte Selbstbeteiligung von fünf Prozent ist vertretbar, die soziale Abfederung sollte über eine Varianz des Prozentsatzes nach unten erfolgen. Mittelfristig kann diese Mehrbelastung sicher durch Beitragssenkungen kompensiert werden.
Wir müssen Mechanismen finden, dass die Patient*innen Mitverantwortung für das eigene Solidarsystem übernehmen.
Position
Die Landarztquote kann – wenn sie denn richtig greift – nur einen kleinen Teil dazu beitragen, dem Ärztemangel entgegenzuwirken. Zudem ist eine Landarztquote mit einer gewissen Unsicherheit verbunden: Denn ein junger Mensch, der heute ein Medizinstudium beginnt, weiß oft noch nicht, für welche medizinischen Fachrichtungen er im Laufe seines Studiums Ambitionen und Fähigkeiten entwickelt. Die Neigung zu einem Fachgebiet bildet sich in der Regel erst in fortgeschrittenen Semestern. So gesehen ist die Landarztquote keine Garantie, dass sich eine junge Ärztin oder ein junger Arzt nach dem Medizinstudium wirklich für eine Landarzttätigkeit entscheidet. Wir sprechen uns gegen die Sanktionierungen aus, die drohen, wenn Studierende gegen den vor Beginn des Medizinstudiums geschlossenen Vertrag verstoßen.
1. Einschränkung der freien Lebensgestaltung
Landarztquoten sind nicht mit einer freien Lebensgestaltung vereinbar. Studium und Facharztweiterbildung dauern mindestens elf Jahre. Wenn der Lebenspartner beruflich an eine Stadt gebunden ist, wird kein junger Mensch auf eine Wunschpartnerschaft verzichten wollen, nur weil sie oder er sich vor elf Jahren für eine Landarzttätigkeit verpflichtet hat.
2. Mögliche Stigmatisierung als Ärzt*innen 2. Klasse
Diese Gefahr könnte bestehen, falls diese ihren Studienplatz nicht über eine Leistungsbewertung oder andere eignungsbasierte Kriterien erhalten haben, sondern aufgrund einer späteren „Dienstverpflichtung“. Hier wäre also ein Auswahlverfahren, das eignungsbasierte Kriterien zur Ausübung des ärztlichen Berufs wie eine vorherige Berufsausbildung im Gesundheitsbereich berücksichtigt, von Bedeutung.
3. Mitnahmeeffekte zu befürchten bei Verknüpfung von Stipendium und Landarztquote
Die Gefahr des reinen Mitnahmeeffektes ist groß für Studierende, die sich sowieso für eine Tätigkeit als Landärzt*in interessieren, die möglicherweise aus der Region kommen und den Ausbildungsweg zur Hausärztin bzw. zum Hausarzt sowieso eingeschlagen hätten. Damit wird also noch keine zusätzliche "Landärzt*in" ausgebildet. Das Geld könnte an anderer Stelle besser investiert werden.
4. Gefahr des sich Freikaufens durch (Rück-)Zahlung der Strafe/des Stipendiums
Falls sich die aktuelle persönliche Lebensgestaltung eines Menschen nicht mit der vor elf Jahren eingegangenen Verpflichtung einer ärztlichen Tätigkeit auf dem Land vereinen lässt, wird er sich im Zweifelsfall für die Rückzahlung der Gelder entscheiden. Das Problem des Ärztemangels auf dem Land wird sich so nicht lösen lassen.
Wir begrüßen, dass neben der Abiturnote auch andere versorgungsrelevante Kriterien bei der Vergabe von Medizinstudienplätzen eine Rolle spielen müssen. Beispiele sind aus unserer Sicht regionales Engagement in Wohlfahrtsverbänden oder eine Berufsausbildung im Gesundheitswesen.