Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP) fordert weitreichende Nachbesserungen an der von Gesundheitsminister Karl Lauterbach geplanten Umstrukturierung der Notfall- und Akutversorgung. Nach Ansicht der KV RLP sind Reformen dringend notwendig und die Überlegungen grundsätzlich richtig. Allerdings müssen die Maßnahmen viel stärker an die Realität in den Praxen angepasst werden. Die Empfehlungen der Regierungskommission berücksichtigen zu wenig den voranschreitenden Ärzte- und Fachkräftemangel. Gleichzeitig weist die KV RLP auf die ungeklärten Finanzierungsfragen hin und warnt davor, dass ineffektive Doppelstrukturen entstehen.
Die Empfehlungen der Regierungskommission sehen im Kern die Einrichtung Integrierter Leitstellen (ILS) sowie Integrierter Notfallzentren (INZ) an allen bundesweit 260 Kliniken der erweiterten Notfallversorgung 2 und 160 Krankenhäusern der Stufe 3 (umfassende Notfallversorgung) vor. In den Zentren sollen Notdienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) angesiedelt und besetzt werden. Die KV RLP bemängelt, dass bei der Entwicklung dieses Models die Expertise und die Erfahrung der ambulanten Versorgung nicht ausreichend berücksichtigt wurde und eine praktische Umsetzung massive personelle Herausforderungen mit sich bringen würde.
Dr. Andreas Bartels, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der KV RLP, sagt: "Uns fehlt die Antwort auf die Kernfrage, wie wir diese Praxen besetzen sollen. Unsere Mitglieder sind tagsüber in ihren Praxen tätig und stellen unter immer schwierigeren Bedingungen die Regelversorgung der Bevölkerung sicher. Die Überlegungen gehen gerade vor dem Hintergrund des immer weiter voranschreitenden Ärztemangels in dieser Form an der Realität vorbei." Dieser Aspekt gelte auch für die Praxisteams. Schon jetzt hätten sowohl der ambulante als auch der stationäre Bereich Probleme, qualifiziertes Personal zu finden. "Durch die Empfehlungen wird der Ärzte- und Fachkräftemangel nicht gelindert, sondern im Zweifel noch verstärkt", so Dr. Bartels.
Die KV RLP sieht daneben die Gefahr, dass die Empfehlungen und die damit verbundenen, zusätzlichen Belastungen auf den medizinischen Nachwuchs abschreckend wirken könnten. Die Entscheidung für eine Niederlassung könne dadurch weiter an Attraktivität verlieren.
Außerdem müsse auch die offene Frage der Finanzierung geklärt sein. "Den Ärztlichen Bereitschaftsdienst betreiben wir schon jetzt defizitär. Jedes ärztliche Mitglied muss monatlich 270 Euro dafür aufbringen. Neue Strukturen dürfen nicht dazu führen, dass die Belastungen für diejenigen weiter steigen, die das System am Laufen halten. Hier ist die Politik gefordert, entsprechende Mittel vorzusehen", sagt Dr. Bartels.
Entscheidend für den Erfolg von Reformen sind nach Ansicht der KV RLP klare Zuständigkeiten auf der Versorgungsebene und effektive Prozesse. Das gilt im Besonderen auch mit Blick auf die Empfehlungen zu den ILS. "Mit der strukturierten und zertifizierten medizinischen Ersteinschätzung setzen die KVen ein erprobtes Instrument ein. Der Patientenservice 116117 ist etabliert. Wir müssen die Funktionalität und das Zusammenspiel weiter optimieren und vermeiden, dass jetzt Doppelstrukturen entstehen", sagt Dr. Bartels, der sich einen konstruktiven Austausch mit der Politik wünscht: "Es gibt richtige Ansätze, die wir unterstützen. Aber es gibt auch noch viel Verbesserungsbedarf. Die Praxis der ambulanten Versorgung muss stärker einbezogen werden, um realistische Lösungen und eine funktionierende Reform zu entwickeln."